Umsatz und Gewinn zum Halbjahr runter
Der Batteriehersteller aus Ellwangen wird 2022 weniger Umsatz und Gewinn machen als bisher gedacht. Damit werden die zuletzt negativen Analystenberichte bestätigt. VARTA wird sich strecken müssen, um noch ordentliche Jahresziele zu erreichen. In schlechten Jahren überwiegt allerdings die Tendenz, alle möglichen Abschreibungen und Wertberichtigungen zu tätigen, damit die Basis im nächsten Jahr wieder deutlich tiefer liegt. So kann man um die Anlegergunst auf einem neuen Niveau buhlen, wenn die äußeren Umstände die strategischen Fortschritte erstmal blockieren.

Andauernde Lieferketten-Problematik und verzögerte Projekte
VARTA kämpft wie die Unternehmen anderer Hightech-Sektoren auch mit der andauernden Lieferkettenproblematik und sich ständig verteuernden Produktionsfaktoren. Durch die hohe Inflationsrate werden auch bald Lohnanpassungen im hohen einstelligen Prozent-Bereich notwendig werden. Erst wenn sich irgendwann abzeichnet, dass der Konzern in seinem Zentralbereich CoinPower wieder profitabel ist und mit den Investitionen im lukrativen E-Mobilitäts-Segment einen Markterfolg landen kann, dürfte sich die Gesamtsituation ändern. Der sehr schwache Euro macht einerseits die Rohstoffeinkäufe teurer, sollte die international tätige VARTA aber im Export unterstützen. Gerade für US-Unternehmen wie Apple könnte man derzeit einen günstigen Lieferanten abgeben.
Wie ist der Stand in Sachen Elektro-Mobilität?
Nach einigen Verlautbarungen zum Thema Hochleistungs-Autobatterie geht der Markt davon aus, dass der Plan für die E-Offensive steht. Wohl braucht es dafür aber mehr Zeit als gedacht. Das Management betonte in jüngsten Veröffentlichungen, dass in der Branche derzeit jeder mit jedem spricht. Damit könnten die ersten Partnerschaften auch mal überraschend auf den Markt treffen. Fällt hier ein bekannter Name, kann es kurstechnisch auch wieder eine kleine Rallye geben. Da aber noch nicht einmal spekuliert wird, mit wem die Ellwanger hier definitiv im Boot sitzen werden, ist man wohl von einer Kooperation noch weit entfernt. Der Flurfunk funktioniert bei großen Errungenschaften eigentlich immer sehr gut.
Die vorab gemeldeten Finanzzahlen für das 1. Halbjahr 2022
Die VARTA AG muss nochmal stärker zurückrudern. In ihrer letzten Guidance hatte sie einen Umsatz von 950 bis 1.000 Mio. EUR und eine operative EBITDA-Marge von 30% oder ca. 260 bis 280 Mio. EUR angekündigt. Die nun am 30.07. vorab bekannt gegebenen Halbjahreszahlen liegen leider deutlich unter dieser Prognose: Gesamtumsatz 376,8 nach 397,6 Mio. EUR im Vorjahr bedeutet immerhin einen Rückgang von 5,2%.
Millionen EUR im EBITDA ist knapp 40% unter Vorjahr.
Beim EBITDA auf bereinigter Basis schaut es nicht besser aus, denn wegen Kostensteigerungen bei Vorprodukten, Rohstoffen, Energie und Transport sank das bereinigte EBITDA auf 68,9 nach 112,3 Mio. EUR gegenüber dem ersten Halbjahr 2021. Damit liegt das schwäbische Technologie-Unternehmen weit unter den Erwartungen des Managements und dem vorauseilenden Analysten-Konsensus. Vermutlich werden die Schätzungen hier auch stärker zurückgenommen, denn eine schnelle Verbesserung der Zahlen dürfte es mit rezessiven Tendenzen nicht geben.
Das Management versucht, die guten Seiten darzustellen
Am Freitag gab es eine neue Personalie: Markus Hackstein wird ab 1. August 2022 neues Mitglied des Vorstands. Er soll die Geschäftsbereiche V4Drive (E-Mobility), Energy Storage Systems und Power Pack Solutions gesamtheitlich verantworten und ist somit das vierte Mitglied des Gremiums neben Armin Hessenberger (CFO), Rainer Hald (CTO) und dem Vorsitzenden des Vorstands, Herbert Schein (CEO). Damit zeigt das Management deutlich, wo die Reise hingehen soll.
Michael Tojner, Aufsichtsratsvorsitzender der VARTA AG, begrüßt die Änderungen so: „Die Vorstandserweiterung mit Markus Hackstein ermöglicht einen klaren Managementfokus auf die stark wachsenden Business Segmente Energy Storage Systems – also die Stromspeicher für private Haushalte und industrielle Anwendungen – sowie V4Drive, unsere ultra-hochleistungsfähigen Lithium-Ionen-Lösungen für die Elektromobilität. Um das hohe Wachstumspotenzial im Bereich Elektromobilität vollends für VARTA nutzen zu können, prüfen wir intensiv Kooperationsoptionen und führen Sondierungsgespräche mit potenziellen Partnern.
CEO Herbert Schein ergänzt: „Das Lithium-Ionen-Geschäft ist der größte Wachstumstreiber für uns. Wachstumsmärkte sind in Zukunft neben der Elektromobilität ganz besonders der Markt der Energiespeicher. In beiden Bereichen wollen wir unsere Position noch intensiver ausbauen. Gerade bei den Energiespeichern können wir durch unsere neuen, innovativen Hochvoltspeicher eine führende Rolle einnehmen. Markus Hackstein ist auch durch seine Kompetenz im Bereich der Systemintegration die ideale Besetzung, um diese Zukunftsfelder auf Vorstandsebene abzudecken.“
Gewinnwarnung? Erläuterungen sind nötig
Die Äußerungen lesen sich wie eine Gewinnwarnung und Enttäuschung macht sich breit. Außerbörsliche Kursindikationen vom Wochenende deuten auf einen Absturz um -10% auf etwa 72 EUR. Wenn sich das am Wochenbeginn bewahrheitet, kommt die Aktie u.E. noch glimpflich davon, denn die Meldung enthält auch hinsichtlich der Hochleistungsbatterie V4Drive wenig positives Überraschungspotenzial. Somit muss sich der Markt mit einem fast 40%igen Gewinnrückgang abfinden.
"Wesentliche Ursachen sind Verzögerungen bei Kundenprojekten sowie die anhaltende angespannte Situation bei Rohstoff- und Energiepreisen sowie hohe Transportkosten“, so die Mitteilung aus Ellwangen.
Mit der aktuellen Geschäftsplanung ist die Aktie mit einem KUV 2022e von 3 immer noch nicht günstig, das geschätzte KGV wird sich auch noch deutlich erhöhen. Die zuletzt belastete Chartsituation und die große Unsicherheit über den Entwicklungsstand sind damit ebenso nicht vom Tisch. Weiterhin muss befürchtet werden, dass auch das zweite Halbjahr ohne wesentliche Verbesserungen laufen wird. Eine Zahlenbekanntgabe am Wochenende sollte den resultierenden Kursdruck offensichtlich etwas mildern. Genaueren Aufschluss über die Zahlen und die einzelnen Fortschritte in den Segmenten wird es aber noch am 11.08.2022 geben. Dem Management wäre anzuraten, auf die Erwartungen des Marktes einzugehen und den Status Quo im Bereich E-Mobilität genauer zu erläutern.
Zwischenfazit
Die VARTA AG enttäuscht nun schon zum dritten Mal hintereinander. Ob der zuletzt verspürte Support in der Aktie auch jetzt noch Bestand haben wird, ist zunehmend zweifelhaft. Da der Gesamtmarkt aber gerade im Technologie-Sektor wieder zu Rückkäufen bereit ist, könnte die Kursabstufung auch wieder schnell in eine Kauflaune wechseln. Um jedoch wieder in einen technischen Aufwärtskanal zu wechseln, müsste der Kurs erst wieder die 88 EUR-Marke signifikant überschreiten. Ein schweres Unterfangen, denn die begleitenden Analysten müssen erst eine neue Einschätzung liefern. Hier wird es einige Abstufungen geben, denn Die VARTA-Aktie ist als ein Wachstumstitel eingestuft. Die tendeziell höhere Bewertung muss sich aber auch durch wirkliches, organisches Wachstum beweisen.

In unserem letzten Update hatten wir die 85 EUR-Marke als geeigneten Stop bezeichnet. Dieser wurde jüngst aktiviert, wir bleiben daher vorerst neutral, bis sich die fundamentalen Ausblicke wieder bessern.
Dieses Update erfolgt auf unseren initialen Report 11/21 und ein Update zu den Jahreszahlen 2021.