Der feste Glaube an die Vision
Nicht selten glauben wir, was wir glauben wollen, weil es uns auf eine Art nützlich erscheint, oder uns Ängste nimmt. Der amerikanische Psychologe und Philosoph William James (1842-1910) illustrierte dies in seinem berühmten Aufsatz „The Will to Believe", übersetzt „Der Wille zum Glauben" mit dem Beispiel eines Mannes, der über einen Abgrund springen muss und weiß, dass er seine Angst nur bezwingen kann, wenn er fest daran glaubt, den Sprung auch tatsächlich zu schaffen. Im Falle von Andy Marsh geht es nicht um das Überspringen eines Abgrunds, sondern um das Erreichen der globalen Vorherrschaft in der grünen Wasserstoffwirtschaft. Und trotz Rückschlägen, Plug Power schrieb seit der Gründung vor rund 26 Jahren in keinem Quartal Gewinn, hält das positive Denken in der Firmenzentrale in Latham, New York, weiter Einzug.
Das Spiel mit den Potentialen
Dass die Umsatz- und Gewinnerwartungen im Jahresverlauf des öfteren revidiert werden, zeigte Plug Power im vergangenen Jahr eindrucksvoll. Die Zeitleiste der Herabstufungen können Sie in einem unserer früheren Updates nachlesen. Auch im ersten Quartal des Jahres 2023 blieb einer der größten Hoffnungsträger der globalen Wasserstoffwirtschaft unter den Erwartungen. Zwar stieg der Umsatz um 49 % auf 210,30 Mio. USD gegenüber dem Vorjahreszeitraum und übertraf die Prognosen der Analysten. Der Nettoverlust von -209,80 Mio. USD war jedoch annähernd so hoch und verfehlte deutlich die gesteckten Ziele. Die Gesamtbruttomarge verschlechterte sich auf -33 % gegenüber -25 % in den ersten 3 Monaten des Jahres 2022.
Durchbruch erwartet
Trotz Erlösen von lediglich rund 210 Mio. USD geht das Management von Umsätzen im Gesamtjahr von hohen 1,4 Mrd. USD bei einer positiven Bruttomarge aus. Über das Jahr hinaus scheint die Wachstumskurve exponentiell zu klettern, genauer gesagt 50 % pro Jahr bis zum Ende des Jahrzehnts. Die Umsätze sollen sich 2026 auf bereits mehr als 5 Mrd. USD bei einer Bruttomarge von über 30 % belaufen, 2030 sieht Plug Power Erlöse in einer Größenordnung von über 20 Mrd. USD. Die Bruttomarge soll danach über 35 % liegen, die Betriebseinnahmen sollen jenseits der 20 % sein. Dabei soll der Geschäftsbereich Energie mit Wasserstoff und Elektrolyseuren den Löwenanteil von 14,4 Mrd. USD zum Umsatz beitragen. Das bisherige Stammgeschäft Applications steigt bis dorthin auf 5,6 Mrd. USD.
Während des Analystentages in der hochmodernen Gigafactory in Rochester, New York, sprach Plug Power ebenso über die operativen Meilensteine, die gesetzt werden sollen. So hat sich das Unternehmen vorgenommen, bis 2030 mehr als 2.000 t Wasserstoff pro Tag aus seinem grünen Wasserstoffnetzwerk zu produzieren, einschließlich seiner ersten Anlage im Kilotonnenmaßstab. Außerdem will Plug bis 2030 ein GW an stationären Stromerzeugungsprodukten einsetzen, 5 GW an Elektrolyseuren pro Jahr und 500.000 brennstoffzellenbetriebene Gabelstapler ausliefern. Zudem positionieren sich die US-Amerikaner so, dass es über die Produktionskapazitäten für 10 GW Brennstoffzellen und Elektrolyseure verfügt und durch seine Partnerschaft mit Renault bis 2030 100.000 HyVia-Kleintransporter auf der Straße haben will.
Wachstum kostet Geld
Durch die noch immer anhaltenden hohen Verluste sanken das Cash und die Barmitteläquivalente per Ende des ersten Quartals auf 474,86 Mio. USD. Deutlich zu wenig, um das riesige Marktpotenzial ausschöpfen zu können. Somit ist eine weitere Kapitalmaßnahme, wir gehen in Kürze von einer Veröffentlichung aus, unumgänglich. In der Vergangenheit wurden die Altaktionäre schon fast beispiellos verwässert. So stieg die Anzahl der Aktien seit dem IPO um den Faktor 138, während der Börsenkurs um mehr als 95 % in die Knie ging. Diesmal soll jedoch alles anders werden. So gab Plug Power anlässlich des Analystentages bekannt, dass jährlich rund 1 Mrd. USD in Wasserstoffinvestitionen fließen sollen. Als Instrumente sollen diesmal jedoch Projektfinanzierungen, Eigenkaptal auf Projektbasis, Unternehmensanleihen sowie Finanzierungsoptionen mit dem Energieministerium vorgezogen werden, um eine weitere Verwässerung der Altaktionäre zu vermeiden. Wir werden sehen!
Zwischenfazit
Trotz des schwachen ersten Quartals hob Plug Power die Jahresprognose für 2023 auf 1,4 Mrd. USD an und sieht bis zum Ende des Jahrzehnts Wachstumsraten von jährlich 50 % bei stark steigenden Bruttomargen. In der Tat hat sich das Unternehmen mit seiner Infrastruktur bestens aufgestellt, um zu einem der etablierten Player der Wasserstoffwirtschaft heranzuwachsen. Ob diese ambitionierten Prognosen nach mehreren Enttäuschungen aus den letzten Jahren umgesetzt werden können, darf zumindest angezweifelt werden. So endet das Update erneut mit einem Zitat eines bekannten Denkers. So hieß es in Goethes Faust: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“
Das Update erfolgt auf den initialen Report 02/2022