Zeit läuft - Klimaschutzziele 2050
Mit dem im Juni 2021 beschlossenen Klimaschutzgesetz hat Deutschland seine Klimaziele verschärft. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 65% gegenüber 1990 reduziert werden, bis 2040 sogar um 88%. Zuerst wurde vereinbart, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein, die neue Regierung hat dieses Ziel im Dezember 2021 aber wegen Unerreichbarkeit auf 2050 angehoben. Damit will Deutschland seinen Beitrag leisten, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Verringerung der Treibhausgasemissionen in nahezu allen Bereichen notwendig. Viele Unternehmen werden ihre Energieversorgung umstellen müssen. Neben Strom aus Erneuerbaren Energien wird dabei vor allem Wasserstoff eine zentrale Bedeutung bei der Erreichung der Klimaziele zugeschrieben. Zusätzlich birgt Wasserstoff große Wertschöpfungs- und Exportpotenziale für die Technologie.
Das vergangene Jahr 2021 war allerdings alles andere als erfolgreich für Aktien aus dem Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor. Die Zeichen standen nach einem fulminanten Boom im ersten Halbjahr auf Korrektur. In Hinblick auf die Energiewende und die Wichtigkeit der Wasserstofftechnologie könnte jedoch gerade diese Branche im neuen Jahr eine Wiederauferstehung erleben. Erst kürzlich gab das von dem Grünen-Politiker Robert Habeck geleitete Bundeswirtschaftsministerium 900 Mio. EUR für das Förderinstrument „H2Global“ frei.
Wasserstoff - energiereich
Der Bedarf an erneuerbaren Energiequellen ist so groß wie noch nie. Die Gesellschaft braucht ein nachhaltiges System, um fossile Brennstoffe mit ihren CO2-Emissionen langfristig zu ersetzen. Deutschland schafft mit der Nationalen Wasserstoffstrategie einen einheitlichen Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für entsprechende Innovationen und Investitionen. Wasserstoff gilt als das Schlüsselelement, um fossile Brennstoffe langfristig zu ersetzen.
Das am häufigsten vorkommende chemische Element im Universum ist sauber und leicht verfügbar. Hergestellt unter Verwendung von Erneuerbaren Energien, gewinnt sogenannter „Grüner Wasserstoff“, als potenziell CO2-freier Rohstoff, weltweit an Bedeutung. Ob als Rohstoff für die Industrie, als Treibstoff für Brennstoffzellen oder als synthetischer Energieträger – die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: So schätzt die globale Unternehmensinitiative Hydrogen Council, dass der Anteil von klimaneutral produziertem Wasserstoff am Endenergiebedarf von aktuell 2 Prozent auf 18 Prozent im Jahr 2025 steigen wird.1
Fossile Brennstoffe sind verzichtbar?
Wasserstoff und Brennstoffzellen haben ein großes Potenzial, die Abhängigkeit von Erdölimporten zu reduzieren, Energie bedarfsgerecht zu speichern und gleichzeitig Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Erzeugerland langfristig zu sichern. Wie jüngste Studien belegen, steht die Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie an der Schwelle einer größeren Kommerzialisierung. Einige Unternehmen haben sich eine gute Ausgangsbasis geschaffen, um international an diesen Wachstumsmärkten zu partizipieren.
„Mit unserer Wasserstoffstrategie für Deutschland wollen wir grünen Wasserstoff marktfähig machen als alternative, nachhaltige Energie etwa für die Stahlindustrie oder im Flugverkehr.“
Mit knapper werdenden fossilen Ressourcen, dem Ausstieg aus der Kernenergie und den internationalen Zielen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen ändert sich das gesamte Energiesystem fundamental und wird langfristig vollständig auf erneuerbare Energieträger umgestellt. Dominierten in der Vergangenheit die chemischen Energieträger als Primärenergiequelle, so werden diese in Zukunft insbesondere durch Strom als erneuerbarer, großteils fluktuierender Primärenergie abgelöst. Damit geht zugleich aber auch die leichte Speicher- sowie die einfache Transportierbarkeit von Energie teilweise verloren. Eine intelligente Verknüpfung von Strom, Gas, Wärme und Kraftstoffen für die Mobilität ist Voraussetzung für eine robuste, nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung. Das koordinierte Zusammenspiel zwischen Erzeugung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und dem Verbrauch elektrischer Energie ermöglicht eine effiziente Einbindung von Erneuerbaren Energien ins Energieversorgungssystem sowie einen sicheren Übergang ins regenerative Energiezeitalter.
Die Industriestaaten brauchen eine robuste und flexible Energiestrategie, welche langfristig allen Marktakteuren Planungssicherheit bieten kann.
Elektrolyseure sind damit die entscheidende Schlüsselkomponente der erneuerbaren Wasserstofferzeugung. Soll das Power-to-Gas-Konzept großtechnisch funktionieren, müssen leistungsstarke und kostengünstige Elektrolyseure zur Verfügung stehen. Dafür sind weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erforderlich, insbesondere für einen dynamischen Betrieb mit fluktuierenden Energiequellen. Deutliche Kostensenkungen lassen sich insbesondere durch Serienproduktion im Rahmen einer breiten Kommerzialisierung realisieren.
Wasserstoff im Verkehrssektor
Die Einführung von Wasserstoff als Kraftstoff in den Verkehrssektor bietet die Möglichkeit, Erneuerbare Energien in noch breiterer Weise für eine nachhaltige Mobilität auf Basis elektrischer Antriebe zu erschließen und damit die Energiewende zu fördern. Dabei bedarf es einer hohen Kontinuität in der Entwicklung und Markteinführung gleichermaßen durch die Industrie bei der Entwicklung von Materialien, Verfahren, Komponenten und Systemen als auch durch die Politik in der fortgesetzten Unterstützung dieser nahezu marktreifen Technologie.
Die Einführung erster Serienfahrzeuge mehrerer Hersteller steht kurz bevor, die letzten großen Produzenten dürften dann spätestens bis 2025 mit eigenen Brennstoffzellen-Fahrzeugen auf dem Markt debütieren. Da die Betankungsinfrastruktur einen zeitlichen Vorlauf benötigt, müssen Fahrzeughersteller und Infrastrukturentwickler ihre Markteinführungspläne eng aufeinander abstimmen. Neben dem PKW-Massenmarkt bieten Brennstoffzellenantriebe für Busse, Sonderfahrzeuge, Taxis und andere Flottenfahrzeuge im städtischen Raum besondere Vorteile, die schadstoff- und lärmemissionsmindernd im Sinne von EU- oder regionalen Vorschriften genutzt werden sollten.
Brennstoffzellenanwendungen und Energiesysteme
Stationäre Brennstoffzellenanwendungen reichen von der Hausenergieversorgung über Notstromaggregate bis zur industriellen Energieversorgung. Ihr Einsatz steigert die Energieeffizienz durch Kraft-Wärme-Kopplung. Entsprechende Brennstoffzellen können sowohl mit fossilen Energieträgern als auch perspektivisch mit Wasserstoff versorgt werden. Eine wesentliche Herausforderung stellt die weitere Senkung der Kosten dar. Die in Japan bereits durch ein Markteinführungsprogramm etablierte Massenfertigung von Brennstoffzellen für den Einsatz in Wohnhäusern wird von deutschen Systemanbietern teilweise durch Kooperationen genutzt, wobei aber eine Anpassung für die nationale Fertigung von Schlüsselkomponenten noch erfolgen muss. Daher wird empfohlen, die in Deutschland derzeit beginnende Markteinführung in der Hausenergieversorgung durch ein Marktanreiz- oder Markteinführungsprogramm zu unterstützen. 2
Wasserstoff könnte Stahl-Industrie disrupten - Beispiel ThyssenKrupp AG
ThyssenKrupp hat im Jahr 2019 weltweit 23 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. 95% der Emissionen entstehen dabei in der Stahlproduktion. „Ökologisch“ produzierten Stahl braucht die Wirtschaft auch in Zukunft für leichte und bezahlbare Autos, für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, als Verpackungsmaterial und als Basis für Elektromotoren und Windkraftanlagen. Deswegen ist der Einsatz von Wasserstoff in der Stahlindustrie ein großer Hebel, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Eine Tonne Wasserstoff spart dort 25 Tonnen CO2 ein. Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie ist einer der größten Handlungsfelder, um die Klimaziele weltweit und in Deutschland zu erreichen.
„Für ThyssenKrupp ist Wasserstoff die Schlüsseltechnologie, um unsere Industrie zukunftsfähig und nachhaltig aufzustellen.“
Während ThyssenKrupp schon jetzt beim Carbon2Chem®-Projekt entstehendes CO2 aus der Stahlproduktion umwandelt, soll mit einer weiteren Technologie dafür gesorgt werden, dass CO2 bei der Stahlherstellung erst gar nicht mehr entsteht. Dafür will ThyssenKrupp den für die Reduktion von Eisenerz benötigten Kohlenstoff durch Wasserstoff ersetzen. Wo beim Kohleeinsatz CO2 entsteht, entsteht beim Einsatz von Wasserstoff Wasser. Derzeit wird auch der Einsatz von Wasserstoff im Hochofen getestet. So lassen sich erste Emissionen bereits in der bestehenden Anlagenstruktur reduzieren. 3
Wettbewerb: Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Hersteller
An den Kapitalmärkten ist Wasserstoff seit dem Jahr 2019 ein heißes Thema. Die Menge der relevanten börsennotierten Unternehmen bleibt dennoch überschaubar. Grundsätzlich sollte die Gruppe der industriellen Produzenten und Wiederverkäufer von Wasserstoff von den Brennstoffzellen-Herstellern unterschieden werden. Wir konzentrieren uns in dieser Analyse vor allem auf die technologieorientierten Unternehmen, welche Innovationen im Bereich Energie-Erzeugung, Mobilität und Klimaschutz maßgeblich vorantreiben.
Im Bereich der Elektrolyseur- sowie Brennstoffzellen-Technologie gehören Ballard Power, Fuelcell Energy, Plug Power, Powercell Sweden, Hexagon Purus sowie Enapter zur Peergroup der Nel ASA. Alle Unternehmen verfügen über spezielle Kernkompetenzen und besetzen im Industrie-Sektor H2 verschiedene kommerzielle Ansätze. Grundsätzlich verfügen die genannten Unternehmen bereits über Umsätze, wenngleich wegen der hohen Forschungs- und Entwicklungsleistungen selten ein messbarer Gewinn resultiert. In der internationalen Klimaschutzdebatte haben sie aber höchste Relevanz, da sie die Wasserstoff-Technologien zur Marktreife bringen.
Ein Überblick über die aktuellen Bewertungsrelationen:
Unternehmen (Land) | MCAP in Mrd. EUR | Umsatz 2021e in Mio. EUR | Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) | EBITDA 2021e in Mio. EUR |
---|---|---|---|---|
Nel ASA (Norwegen) | 2,04 | 79,9 | 26,3 | -37,70 |
Plug Power (USA) | 12,81 | 437,8 | 29,2 | -154,2 |
Ballard Power (Kanada) | 3,47 | 439,7 | 7,9 | -85,6 |
Fuelcell Energy (USA) | 1,87 | 61,3 | 30,5 | -52,8 |
PowerCell (Schweden) | 0,87 | 13,9 | 62,3 | -6,7 |
Hexagon Purus (Norwegen) | 0,53 | 37,7 | 14,1 | -29,6 |
Enapter (Deutschland) | 0,61 | 9,25 | 65,9 | -7,47 |
Der Überblick zeigt, dass selbst die bekannten Marktführer noch nicht in der Gewinnzone operieren. Auf Basis der Umsatzbewertung für das soeben vollendete Jahr 2021 reicht das Bewertungsband im Kurs-Umsatz-Verhältnis von 8 bis 66, das arithmetische Mittel rechnet sich immerhin zu 33,6. Nel ASA befindet sich mit einer 25-fachen Umsatzbewertung in der Mitte der Bandbreite.
Die Verschuldungen der Unternehmen wurden nicht einbezogen. Nach verfügbaren Schätzungen werden in den Jahren 2024 bis 2026 die ersten Unternehmen in die Gewinnzone vorstoßen. Für die Aktionäre von Wasserstoff-Titeln bleibt die Anlage daher auf Jahre ein Hoffnungs-Spiel auf bahnbrechende Einzelerfolge oder große öffentliche Investitionsprogramme. Die von den Regierungen ausgerufenen H2-Fördertöpfe sind in ihrer Größe nicht ausreichend, um eine dauerhafte Alimentierung der Umsätze o.g. Unternehmen zu gewährleisten. Die Privatwirtschaft muss auf diesen Zug aufspringen, sonst scheitert die Einführung der H2-Technologien an den Economics of Scale.
Nel ASA - Das Unternehmen im Überblick
Nel ASA ist ein weltweit tätiger Wasserstoff-Pionier aus Norwegen, welcher Lösungen für die Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien anbietet. Der norwegische Konzern beliefert Industrie, Energie- und Gasunternehmen mit einer weltweit führenden Wasserstofftechnologie. Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis in das Jahr 1927 zurück, in den letzten Jahren wurde die Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung von Wasserstofftechnologien vorangetrieben. Heute decken die Nel-Wasserstofflösungen die gesamte Wertschöpfungskette ab, von der Wasserstoffproduktion über relevante Technologien bis hin zu den physischen Wasserstofftankstellen. Sie ermöglichen der Industrie den Übergang zu grünem Wasserstoff und bieten allen Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugen eine schnelle Betankung.
„We deliver optimal solutions to produce, store, and distribute hydrogen from renewable energy.“
Der Unternehmenssitz von Nel ASA befindet sich heute in Oslo. Bereits in 1927 installierte Nel den ersten kleinen Elektrolyseur bei Norsk Hydro für die Dünger-Herstellung. Im Jahr 1953 startete die zweitgrößte Elektrolyseur Fabrik zur Herstellung von Wasserstoff bei der Ammoniak-Produktion in Glomfjord, Norwegen. Im Jahr 2001 präsentierte Nel dann den ersten kommerziellen Druck-Elektrolyseur. Mit dem Börsengang in 2014 ist Nel ASA das erste reine Wasserstoff-Unternehmen mit einer Notiz an der Börse in Oslo.
Zum Konzern gehören seit 2015 auch der dänische Wasserstofftankstellen-Hersteller H2 Logic sowie seit 2017 der amerikanische Elektrolysespezialist Proton On Site. Zusammen mit den Firmen PowerCell Sweden und Hexagon Composite gründete Nel im September 2017 das Joint Venture Hyon, welches zum Ziel hatte, insbesondere im maritimen Bereich brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge zu etablieren. Nachdem Hexagon Composite und PowerCell sich später aus HYON zurückgezogen hatten, trat an dessen Stelle ein neues Joint Venture mit Norvegian Hydrogen und Saga Pure.
Innerhalb des Konzerns operiert das Tochterunternehmen NEL Hydrogen US am nordamerikanischen Markt. Der Geschäftsbereich Nel Hydrogen Fueling errichtet Wasserstoff-Tankstellen und Zapfsäulen. Nel ist seit Juni 2019 Teil des europaweiten H2-Bus-Konsortiums. Ziel ist der Einsatz von mindestens 1.000 Wasserstoff-Brennstoffzellenbussen in Europa, vor allem im öffentlichen Nahverkehr.
Konzipiert werden auch eigene Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge. Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge erreichen schon heute ähnliche Reichweiten wie Verbrenner. Sie kommen ohne die damit verbundenen Emissionen aus. Nel ASA hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Preis für grünen Wasserstoff pro Kilogramm auf 1,50 USD bis zum Jahr 2025 zu senken. Um das zu erreichen, investiert NEL massiv und nimmt in den nächsten fünf Jahren ein negatives Betriebsergebnis hin. Dies ist jedoch notwendig, um die Führungsrolle zu erhalten.
Entsprechend einer Vereinbarung zwischen Nel ASA und Everfuel A/S vom 25. November 2020 haben Everfuel und Nel die gemeinsame Gründung eines Joint Venture zur Entwicklung des Wasserstoffbrennstoffmarktes für private und LKW-Kunden in Norwegen beschlossen. Everfuel wird 51% der Anteile an H2FuelNorway AS (H2Fuel) übernehmen, das ab Anfang 2021 in Everfuel Norway Retail AS umbenannt wurde. Nel wird die restlichen 49% der Anteile halten. Everfuel A/S ist 2019 eine Nel Beteiligung in Form eines Wasserstofftankstellen-Netzwerkes, welches neben Norwegen auch Europa mit Wasserstoff versorgen soll. Die Station in Hvam (nordöstlich von Oslo) wurde als erste von zwei Betankungsstandorten im November 2020 in Betrieb genommen. Dieser Meilenstein kann als Startpunkt für die kommerzielle Umsetzung der grünen Wasserstoffbetankung angesehen werden.
Aktien-Performance von NEL
Nel ASA konnte seinen Umsatz in den Jahren 2018 bis 2020 kontinuierlich von 489 auf 652 Mio. Norwegischen Kronen (NOK/EUR 9,97) steigern. Wegen starker Investitionen blieb das EBIT aber stets im negativen Bereich, der Verlust erhöhte sich sogar sukzessive von -132 auf -255 Mio. NOK. Im dritten Quartal 2021 stieg der Umsatz bereits auf 229 Mio. NOK (+55% ggü. Vorjahr), das EBITDA zeigte sich mit -113 Mio. NOK noch negativ. Stark gefragt blieben die „H2StationTM“-Wasserstofftankstellen sowie die PEM-Elektrolyseure. Mit der deutschen SFC Energy kam es zu einer Kooperation im Bereich Energieerzeugung- und -speicherung. Durch mehrere Kapitalerhöhungen konnte Nel ASA seine Kassenposition bis zum Ende Q3-2021 auf über 2,9 Mrd. NOK ausdehnen. Damit ist die Ausstattung mit flüssigen Mitteln als sehr komfortabel zu bezeichnen. Die Jahreszahlen 2021 werden am 17. Februar 2022 erwartet.
Auf der Beteiligungsseite führten Wertberichtigungen bei der Nikola Corp. und bei Everfuel zu Impairment-Abschreibungen in Höhe von 67,4 bzw. 311,2 Mio. NOK. Die zunehmende Größe der Projekte zieht auch einen erhöhten Bedarf an Working Capital nach sich. Die Personalseite wurde wegen der hohen Auftragseingänge entsprechend der Notwendigkeiten angepasst. Der Ramp-up in Heroya verursachte operative Kosten, ohne dass bislang Umsätze verbucht werden konnten. Die Integration neuer Produktfelder, Konsumsegmente und technischer Komponenten erhöht die Kosten laufend.
Auch das 3. Quartal war wiederum von COVID-19 negativ beeinflusst und hinderte einige Beschäftigte am Reisen und erhöhte bei Mitarbeitern vor Ort die Beanspruchung. Das Umfeld ist aus diesem Blickwinkel sehr herausfordernd. Bestens gefüllt bleibt das Orderbuch. Zum Ende des Quartals summierten sich die offenen Aufträge auf 1,014 Mrd. NOK – im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie damit um 8%.
Nel ASA in Mio. EUR | 2020 | 2021e | 2022e | 2023e |
---|---|---|---|---|
Umsatz | 53,99 | 79,91 | 116,58 | 189,25 |
Bruttomarge in % | 31,9 | 34,3 | 35,1 | 37,7 |
EBITDA | -26,2 | -37,7 | -28,2 | -8,0 |
EBIT | -33,4 | -49,6 | -43,1 | -26,4 |
Free Cashflow | -30,4 | -90,6 | -65,7 | -54,8 |
Konzernergebnis / *inkl Sondereffekt | 117,82* | -131,1 | -42,2 | -26,7 |
Ergebnis je Aktie (EPS) in EUR | 0,08* | -0,09 | -0,03 | -0,02 |
Buchwert je Aktie (BVPV) in EUR | 0,29 | 0,35 | 0,32 | 0,30 |
Kurs-Umsatz-Verhältnis (MCAP/Sales) | 38,9 | 26,3 | 18,1 | 11,1 |
Die von S&P befragten Analysten erwarten bis zum Jahr 2023 eine gute Verdoppelung der heutigen Umsatzvolumina auf umgerechnet 189 Mio. EUR. Die Bruttomarge sollte sich im besagten Zeitraum von 32 auf knapp 38% steigern lassen. In keinem Jahr wird ein freier Cashflow erwartet, auch die Nettoergebnisse bleiben negativ (Ausnahme: Jahr 2020 wegen eines Sonder-Effekts). Eine von den Investoren erwartete Verlustreduzierung dürfte sich weiter verzögern. Die genannten Zahlen in Euro variieren mit der Volatilität der Norwegischen Krone, die in den vergangenen Jahren bis zu 7% per annum ausgemacht hat.
SWOT-Analyse
Stärken
- First Mover im Wasserstoffmarkt mit dem Bau des ersten Elektrolyseurs
- Starke Kapitalausstattung schafft Flexibilität in der Auftragsgröße
- Hohe Reputation wegen langer Unternehmenstradition
- Guter Zugriff auf technisches Personal und Akademiker in Skandinavien
Schwächen
- Starke Konkurrenz in Europa und den USA
- Wachsender Wettbewerb im Bereich der Wasserstofftankstellen
- Abhängigkeit von öffentlichen Fördertöpfen
Chancen
- Starke Förderung der Wasserstoffwirtschaft durch die Politik
- Gute Historie und optimale Größe für kapitalintensivere Projekte
- Schnelle Realisierung von Aufträgen wegen hohem Vernetzungsgrad in der Industrie
Risiken
- Verzögerungen und Konkurrenz bei der Erlangung von öffentlichen Ausschreibungen
- Steigende Vorhaltung von Working Capital drücken auf die Marge
- Alternative Energieformen könnten den recht teuren Wasserstoff verdrängen
Ausblick: Neuer Vorstand
Aktuellster Hintergrund der anhaltenden Kursschwäche von NEL ASA dürfte die am 06.01.2022 verkündete Ernennung von Håkon Volldal zum neuen Vorstandsvorsitzenden (CEO) gewesen sein, Sein in Fachkreisen sehr angesehener Vorgänger, Jon André Løkke, hat dieses Amt bereits zur Mitte letzten Jahres im Umfeld der seinerzeitigen massiven Aktienkorrektur zur Verfügung gestellt, um sich neuen Herausforderungen zuzuwenden. Die tatsächliche operative Amtsübergabe von Løkke an Volldal sollte jedoch erst im 2. Quartal 2022 stattfinden, dazu kam es nun nicht.
„"Unsere Vision bei Nel lautet: 'Generationen mit sauberer Energie für immer zu versorgen'. Unsere Technologie ermöglicht es Menschen und Unternehmen, Wasserstoff, das am häufigsten vorkommende Element im Universum, im Alltag zu nutzen.“
Während Løkkes erfolgreichem Wirken im Aufbau von Nel ASA zu einem der weltweiten Pioniere in Wasserstoff-Technologien eine ebenfalls stark innovativ geprägte Karrierelaufbahn in der Technologie- wie Energiewirtschaft vorausging, lag die schwerpunktmäßige Tätigkeit von Volldal bisher eher in Logistik-Bereichen bei Q-Free ASA oder dem Pfandautomaten-Riesen Tomra Systems. Man könnte hieraus die Vermutung ableiten, dass sich unter Volldals künftiger CEO-Führerschaft die strategische Ausrichtung von Nel ASA stärker von der wichtigen und unzweifelhaften Bereichsdomäne von Løkke in direkten Wasserstoffproduktions-Technologien noch stärker auf den nachgelagerten Bereich der Lagerung und des Transports ihres erzeugten Wasserstoffs verschieben könnte. Dies dürfte sich im Falle der Betonung dieser logistischen Wertschöpfungsstufe künftig jedoch nur dann als ein zusätzlicher Vorteil herausstellen, sofern hierdurch auch die ständigen technologischen und gleichzeitig vor allem profitsteigernden Weiterentwicklungen ihrer Wasserstofferzeugungen nicht auf der Strecke blieben. Bisher hat die Erzeugung von grünem Wasserstoff noch keine operativen Gewinne abgeworfen. Das langfristige Experiment zur nachhaltigen Profitabilität wäre somit eine Entwicklungsstufe, die dem neuen CEO Håkon Volldal vorbehalten ist.4
Fazit – Blick nach vorne gerichtet
Der dreijährige Kursverlauf der Nel ASA-Aktie im Vergleich zum BMI-Capital Goods EUR-Index Value (Daily) zeigt eine relative Überperformance von 118,6% auf einen Zeitraum von 3 Jahren. Allerdings offenbart sich nach der Hype-Bewegung von November 2020 bis Februar 2021 eine relative Underperformance in 2021 aufgrund einer starken Kurskorrektur, die allerdings den gesamten Sektor erfasste.
Mit der Versorgung der PKW-Industrie bzw. der Batterie-Fahrzeuge stehen die Staaten weltweit vor gewaltigen Herausforderungen. Es ist fraglich, ob ausreichend Elektrizität dauerhaft zur Verfügung gestellt werden kann. Somit muss ein erheblicher Teil der Mobilität bzw. des Transportwesens mit anderen Energiequellen versorgt werden. Hier wird der Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Die Zeit ist reif, einen potentiellen Beitrag durch Wasserstoff in einem nachhaltigen Energiesystem weiter voranzutreiben. Wie andere grüne Technologien wird daher auch Wasserstoff für die Erreichung eines Energiesystems mit ‘Netto-Null-Emissionen‘ bis 2050 unverzichtbar sein.
Im Fall von Nel ASA haben wir es mit einem Entwickler von Wasserstoff-Technologien und zugehöriger Verteilsysteme zu tun, der seit einigen Jahren aktiv in die Forschung eingreift. Für die zwischenzeitlichen Erfolge ist die Börse bereit, bereits heute sehr hohe Bewertungen aufzurufen. Immerhin müssen Aktionäre des Unternehmens aus Oslo noch mindestens vier Jahre auf eine Dividendenausschüttung warten. Aktuell handelt die Aktie mit einer Marktkapitalisierung des 25-fachen Umsatzes des Jahres 2021. Die nähere Zukunft wird zeigen müssen, ob Nel ASA mit seinen kommerziellen Ansätzen die vorhandene Nachfrage am Markt treffen kann. Eine Refinanzierung über die Börse ist in einem positiven Marktumfeld wohl jederzeit gegeben, daher kann das Unternehmen weiter ungehindert wachsen. Mitentscheidend für den langfristigen Erfolg ist die weltweite, politische Weichenstellung zugunsten einer Wasserstofftechnologie-Subvention ähnlich der bereits aktiven Maßnahmen in der E-Mobilität.
Als begleitender Risikoaspekt ist der Punkt der niedrigen Verzinsung der Notenbankgelder seit 2015 in die Analyse miteinzubeziehen. Wachstumskapital wird derzeit noch quasi zum Nulltarif bereitgestellt. Doch die amerikanische Notenbank FED hat zur Jahreswende einen schrittweisen Ausstieg aus ihrem Anleihekaufprogramm angekündigt. Die dramatische Inflationsentwicklung in 2021 mit teilweise verdoppelten Raten im Vergleich zum Vorjahr sendet aber massive Warnzeichen in Richtung Wachstumsmärkte, insbesondere im Bereich hoch bewerteter Technologieaktien.
Unter diesen Umständen kann angenommen werden, dass eine positive Performance auch bei Nel ASA nur bei Vorhandensein ausreichender Marktliquidität und einfachem Zugang zu Wachstumskapital erwartet werden kann. Nel ASA wird sich wenig vom Branchentrend abkoppeln können, als erfolgreicher Standardwert und Branchenprimus dürfte aber die Outperformance zur Peergroup erhalten bleiben - in guten wie in schlechten Zeiten. In einem steigenden Zinsumfeld könnte die Normalisierung der Bewertungsparameter im gesamten Sektor allerdings noch einige Zeit andauern.