Transformation im Verkehrssektor beschleunigt
Europa soll bis 2050 klimaneutral werden und bis 2030 mindestens 55% der Treibhausgase im Vergleich zu 1990 einsparen. Mit dem Paket „Fit für 55“ wurden die EU-Rechtsvorschriften noch einmal verschärft. Eine besondere Rolle hat dabei das Problemkind der Energiewende, der Bereich Verkehr, der rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union verursacht. Laut Statistischem Bundesamt in Deutschland lag der Ausstoß im Corona-Jahr 2020 bei 690 Mio.t CO2-Äquivalenten, was einen Anstieg von 11% gegenüber 1990 gleichkommt. Dabei entfielen auf Schwerlastwagen und Busse rund 28%, auf leichte Nutzfahrzeuge weitere 11%.
Mit dem Ziel, die Bahn als emissionsarmes Verkehrsmittel zu fördern und den Transportsektor von der Straße auf die Schiene zu verlagern, ist die EU, zumindest Stand heute, krachend gescheitert. So lag der Anteil der Bahn am EU-weiten Güterverkehr am Anfang des Jahrzehnts mit 17% unter dem Stand des Jahres 2010 mit 18%. Ebenfalls rückläufig ist der Transport von Waren per Schiff, dessen Anteil innerhalb von 10 Jahren von 7% auf 6% nachließ. Dagegen setzte der Transportverkehr auf der Straße seinen Trend fort und erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 75% auf 77%. 1
Switch dauert zu lange
Eine Trendwende, so sind sich Experten einig, dürfte in den nächsten Jahren schwer zu bewerkstelligen sein. Zum einen kommt der Ausbau des Schienennetzes nicht voran. Selbst bei einer Verdopplung der heutigen Güterverkehrsleistung mit der Bahn bis 2030 würden noch immer rund 60% der gesamten Güterverkehrsleistung auf die Straße entfallen. Die Verschärfung der CO2-Flottenzielwerte für schwere Nutzfahrzeuge im Jahr 2030 auf -48% gegenüber 2019 sind wohl nur mit einer schnelleren Elektrifizierung des Transportverkehrs oder mit dem Einsatz von synthetischen Treibstoffen möglich, was aufgrund der fehlenden Infrastruktur bei Lade- und Betankungsanlagen in diesem Zeitraum schier unmöglich scheint. 2
Brückentechnologie mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Nutzfahrzeugindustrie.
Ambitioniert, jedoch weniger weit von der Realität entfernt, formulierten die europäischen LKW-Hersteller ihre Ziele in Hinblick auf das mögliche Ende der fossilen Antriebe. In einer gemeinsamen Erklärung im Dezember 2020 verpflichteten sich die im europäischen Automobilverband ACEA organisierten Produzenten mit Wissenschaftlern des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), bis 2040 den Verkauf von Lastern mit fossilem Antrieb in der EU einzustellen, mit dem Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. In rund 18(!) Jahren sollen dann, geht es nach der Erklärung der LKW-Bauer, nur noch Fahrzeuge produziert werden, die mit Strom, Wasserstoff oder Biosprit fahren. Die unterzeichnenden ACEA-Mitglieder DAF Trucks, Daimler Trucks, Ford Trucks, Iveco, MAN Truck & Bus, Scania sowie Volvo Group knüpften dieses ehrgeizige Ziel jedoch an Forderungen an die Politik. So seien neben Investitionen der Industrie, politischen Weichenstellungen und der Aufbau eines dichten Netzes an Lade- und Betankungsmöglichkeiten die Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Unterfangen.
Ob dieser mehr als ehrgeizige Plan dann in dieser langen Periode in die Tat umgesetzt werden kann, steht bisweilen in den Sternen. Für die kurzfristige Senkung der Emissionen stehen jedoch bereits jetzt Brückentechnologien mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Nutzfahrzeugindustrie bereit.
dynaCERT mit Sofortlösung
In naher Zukunft sieht dynaCERT-Boss Jim Payne keine Alternative zum Verbrennungsmotor. Dies gab er bereits in einem früheren Interview zu Protokoll. Stattdessen setzt das bereits 2004 unter dem Namen Dynamic Fuel Systems gegründete Unternehmen mit dem weltweit patentierten HydraGEN-Elektrolyseur auf die Reduzierung der CO2-Emissionen und die Erhöhung der Kraftstoffeffizienz für den Einsatz bei Dieselmotoren. 90 Mio. CAD sowie 18 Jahre Forschung und Entwicklung stecken in dieser laut Payne weltweit einzigartigen sowie mit 20 Patenten ausgestatteten und mehrfach zertifizierten Technologie. Die Vorteile von HydraGEN liegen auf der Hand. Neben der bereits erwähnten Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emission werden zudem die NOx-Emissionen (Stickstoffoxide) sowie die CO- und THC-Emissionen deutlich gesenkt. Zudem wird die Motorleistung und das Drehmoment erhöht, was zu einer Verlängerung der Lebensdauer von Motor und Öl führen kann. Zudem soll die Amortisationszeit beim Erwerb des marktreifen Produktes bei rund einem Jahr liegen.
Der chemische Vorgang ist dabei einfach zu erläutern. Destilliertes Wasser wird in das Elektrolysesystem eingeleitet, in reinen Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt und in den Dieselmotor gepumpt. Da Wasserstoff rund 10-mal schneller verbrennt als Diesel, wirkt er als Katalysator, der die Verbrennungsrate beschleunigt und den Motor unterstützt, den Diesel vollständiger zu verbrennen und das Luft-Kraftstoff-Verhältnis zu verändern, was zu mehr Leistung, weniger Kohlenstoffablagerungen und zu einer Reduzierung der Schadstoffemissionen direkt an der Quelle führt. Mit der Entwicklung des ebenfalls patentierten ECU-Chips (Electronic Control Unit), der den Motor in Echtzeit analysiert und die Menge des Wasserstoffs, die dem Motor zugeführt werden soll, berechnet, ist die Einheit komplett computergesteuert und bestimmt die richtige Durchflussrate der Gase, um die Verbrennung zu optimieren. Somit wird der benötigte reine Wasserstoff nur bei Bedarf produziert und nicht gespeichert.
Vielfach anwendbare Technologie
Durch den Aufbau einer kompletten Produktlinie mit vier Serien, die für verschiedene Motorgrößen und Einbauspezifikationen angepasst werden können, ist dynaCERT breit diversifiziert und kann allen Branchen angeboten werden, in denen Dieselmotoren Anwendung finden, so zum Beispiel im Bergbau, dem Transportwesen, dem Baugewerbe oder in der Landwirtschaft. Zukünftig ist zudem der Einsatz für das Umrüsten bei PKW, Schiffen und Zügen geplant. Das von der Absatzzahl größte Potenzial besitzt aktuell die Serie HG2R, dem Motor zwischen 1 bis 8 Liter, der unter anderem bei kleinen und schweren Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommt. Hier liegt das globale Absatzpotenzial laut Unternehmensschätzung bei rund 135 Mio. Einheiten. 3
Die Kanadier stehen mit einem globalen Netzwerk in den Startlöchern.
In Hinblick auf den endgültigen Eintritt in den Massenmarkt ist dynaCERT nach Angaben in jedem Fall vorbereitet. Neben dem Aufbau eines globalen Vertriebsnetzwerkes von 47 Handelspartnern in 55 Ländern besitzen die Kanadier eine firmeneigene Produktionsstätte in Toronto, die einen Bedarf von 6.000 HydraGEN-Einheiten pro Monat abarbeiten und deren Kapazität bei erhöhter Nachfrage auf 12.000 Stück pro Monat ausgebaut werden könnte.
Proof of Concept mit Auszeichnung abgeschlossen
Neben Zertifizierungen weltweit, unter anderem von Continental EMITEC, TÜV Nord und Süd in Europa, iCAT in Indien oder der PIT Group in Canada dürfte durch den erfolgreichen Abschluss eines Pilotprojektes mit der Alectra Utilities Corporation, dem gemessen am Kundenstamm größten kommunalen Stromversorgungsunternehmen Kanadas, die Tür zum Start in den Massenmarkt weit aufgestoßen sein. Alectra startete bereits im vergangenen Jahr ein Programm, bei dem 13 Fahrzeuge des Versorgungsunternehmens mit der HydraGEN-Technologie ausgestattet und einem strengen Monitoring unterzogen wurden.
Dank des Systems von dynaCERT konnten über 8.000 kg CO2e eingespart werden, und bei jedem einzelnen Fahrzeug einer ganzen Reihe von Nutzfahrzeugen wurde der Dieselverbrauch um durchschnittlich 230 Liter gesenkt. Die Ergebnisse des Pilotprogramms haben gezeigt, dass das Versorgungsunternehmen, basierend auf den Daten seiner gesamten Flotte aus dem Jahr 2021, seine CO2-Emissionen und Treibstoffkosten um mehr als 10% senken konnte. Durch den erfolgreichen Abschluss des Tests erhielt Alectra zudem den „Most Innovative Leader Award“, der im Rahmen des jährlich vom Windfall Ecology Centre ClimateWise Business Network ausgerichteten Nachhaltigkeitssymposiums vergeben wird.
Art der Emissionen | Reduktion |
---|---|
CO2-Emissionen | 9,6% |
NOx-Emissionen | 88,7% |
CO-Emissionen | 46,7% |
THC-Emissionen | 57,0% |
Treibstoffeinsparungen | 10,0% |
Partikelausstoß (schwarzer Rauch) | 55,3% |
Testreihe führt zur Aufstockung
Die erfolgreiche Durchführung des Pilotprojektes veranlasste das Management von Alectra, weitere Fahrzeuge mit der HydraGEN-Technologie auszustatten. Insgesamt wurde der Bestand auf 88 Einheiten aufgestockt, um die Kohlendioxid-Emissionen, den Wartungsaufwand und die Kraftstoffkosten der Fahrzeugflotte zu reduzieren. Dass allein beim Versorgungsunternehmen weiteres Absatzpotenzial besteht, zeigt der Blick auf den Jahresbericht.
Hier wies Alectra per 31.12.2021 insgesamt 605 Flottenfahrzeuge aus. Überhaupt ist CEO Payne für das vierte Quartal äußerst optimistisch. So erwartet der Firmenlenker, wie er anlässlich des 4. International Investment Forum (IIF) verlauten ließ, mehrere Order. Aktuell liefen demnach mehrere Testreihen mit Großkunden in wichtigen vertikalen Märkten, die in spätere Käufen umgesetzt werden dürften. Dadurch sollte sich auch die aktuell geringe Finanzausstattung verbessern, so dass eine Kapitalerhöhung und eine Verwässerung der Aktionäre auf aktuellem Niveau nicht geplant sei. Eine Prognose mit Umsatz- und Gewinnschätzungen für die nächsten Geschäftsjahre wurde dagegen nicht verkündet.
Einzigartiges geschlossenes Ökosystem
Den globalen Roll-out der HydraGEN-Technologie dürfte in naher Zukunft ein weiteres Asset beschleunigen, denn mit der Entwicklung einer neuen Komponente, den Emissionsgutschriften für LKW-Besitzer, dürfte der Verkaufsprozess noch einmal zulegen. Dabei dient die Flottenmanagement-Software HydraLytica als Basis, die den Besitzern der HydraGEN-Technologie einen einfachen Zugang zur Überwachung und Berichterstattung in Echtzeit über die Reduzierung von CO2-Emissionen, Kraftstoffeinsparungen oder generierte CO2-Gutschriften ermöglicht. Zudem kann über die App das System überwacht werden und eine Live-Kommunikation mit dem Flottenmanager über mögliche Mängel stattfinden.
Neben der Übermittlung von Echtzeitdaten als Flottenmanagement-Software wird HydraLytica dem Unternehmen zudem zur Generierung von Emissionsgutschriften dienen. Bereits im März 2019 startete dynaCERT den weltweiten Prozess zur Beantragung von Emissionsgutschriften für seine HydraGEN-Technologie. Mit den präzisen Berechnungen des Verbrauchs im Vergleich zur historischen Leistung eines Lastwagens hält dynaCERT den Schlüssel zur Erschließung einer möglichen neuen, wiederkehrenden Einnahmequelle in der Hand, indem es Emissionsgutschriften für Lastwagenbesitzer aggregiert, die sonst keinen Zugang zu diesen Gutschriften hätten. Durch die Verwaltung von Emissionsgutschriften für ihre HydraGEN-Kunden basiert das Geschäftsmodell von dynaCERT auf der Aufteilung der durch den Verkauf von Emissionsgutschriften erzielten Einnahmen. Dabei sieht der Plan des Unternehmens vor, dass rund 50% der Erlöse aus Emissionsgutschriften bei dynaCERT verbleiben, die andere Hälfte wird an den Kunden weitergereicht.
Verified Carbon Standard-Programm in letzter Phase
Laut Pressemeldung vom 25.08.2022 befindet man sich im Rahmen des Verified Carbon Standard- („VCS")-Programms von Verra, dem global am weitest verbreiteten Programm zur Anrechnung von Treibhausgasen, auf der Zielgeraden. Als vierten und letzten Schritt des Genehmigungsverfahrens beauftragte Verra mit Earthood einen zugelassenen Validierer mit der Erbringung von Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Methodenvalidierung gemäß den im Abkommen und den VCS-Bestimmungen festgelegten Bedingungen. Im Moment sind Verra, Earthood und dynaCERT dabei, das VCS-Verfahren abzuschließen, damit die Emissionszertifikate von dynaCERT den Verified Carbon Standard von Verra erreichen. Auch hier rechnet CEO Payne auf Nachfrage mit einem positiven Ergebnis noch in diesem Jahr.
SWOT-Analyse
Stärken
- Hochmargiges Geschäftsmodell
- Eigene Produktionsstätte
- Starke Aktionärsstruktur
- Patentierter und zertifizierter, führender Technologieanbieter
Schwächen
- Schwache Kapitalausstattung
- Roll-out noch nicht vorhanden
- Weitere Verwässerung durch Kapitalmaßnahmen möglich
- Niedriges Umsatzniveau
Chancen
- Hohes Absatzpotenzial durch Vorschriften bei der Emissionsreduzierung
- Wachstumspotenzial in mehreren Branchen
- Zugang zum Markt für Emissionszertifikate
Risiken
- Bessere Technologie durch Wettbewerber
- Steigende Rohstoff- und Energiekosten
- Abschwächung der Weltwirtschaft
Die Hoffnung auf den Roll-Out 2.0.
Aufgrund der Verzögerungen rund um die Corona-Pandemie, die das Unternehmen in Hinblick auf den Roll Out rund zwei Jahre blockierten, verlor der Aktienkurs von dynaCERT seit dem Höchststand im Februar 2020 rund 80% an Wert. Die Marktkapitalisierung schmolz auf knapp 88 Mio. CAD zusammen. Mit Verkündung von mehreren vom Management erwarteten Kundenaufträgen sowie einem positiven Abschluss des Verified Carbon Standard von Verra könnte jedoch ein Turnaround eingeläutet werden.
Positiv zu erwähnen ist die stabile Aktionärsstruktur. Neben dem Management und verbundenen Personen, die 31% halten, sind weitere 27% in institutionellen Händen. Rund 8% hält dabei die Investorenlegende im Rohstoffsektor, Eric Sprott, der aufgrund der Zukunft der CO2-Zertifikate investierte. Die einzigartige Kombination der HydraGEN-Technologie, dem Flottenmanagement-System HydraLytica sowie dem Handel mit Emissionszertifikaten stimmen positiv, den endgültigen Durchbruch zu erreichen. Trotzdem sollte man sich vor Augen führen, dass ein Investment in dynaCERT eine spekulative Wette auf den Einsatz von Brückentechnologien darstellt. Das Potenzial jedoch ist durch die strikteren Vorgaben der Politik riesig. Analysten der GBC AG vergaben zuletzt ein Kursziel von 2,20 CAD und sahen in dynaCERT einen Kaufkandidaten.