Researchanalyst
07.09.2022, Autor: Stefan Feulner

Aktien-News: Smartbroker Holding AG - Absturz und Neuausrichtung — Einmalige Chance nach dem Börsenbeben?

  • Online Brokerage
  • Neobroker
  • Trading

Diese Meldung übertünchte in der Hauptstadt sogar den katastrophalen Saisonstart des „Big City Clubs“ Hertha BSC: Die früher als wallstreet:online AG bekannte und jetzt zur Smartbroker Holding AG umfirmierte Unternehmensgruppe trennte sich mit sofortiger Wirkung von ihrem Vorstandsvorsitzenden Matthias Hach. Der Grund waren laut Gründer und neuem Chef, André Kolbinger, unterschiedliche Auffassungen bei der zukünftigen Umsetzung des „Smartbrokers 2.0“. Der Launch des Großprojekts wurde nun auf Mitte 2023 verschoben, eine Gewinnwarnung bereits veröffentlicht. Infolgedessen stürzte die Aktie um mehr als 50% in die Tiefe. Da das neue Management ohne Zweifel von einem Start des „Online Brokers für die nächste Generation“ ausgeht, könnte das aktuelle Niveau eine langfristige Chance auf überproportionale Kursgewinne bieten.


Lesezeit: 6 Minuten

Schlussstrich und Blick nach vorne

Eines muss man dem alten und neuen Vorstandsvorsitzenden der jetzt umbenannten Smartbroker Holding AG zugutehalten. Während manch anderer noch monatelang mit dem Aufarbeiten der vergangenen Ereignisse beschäftigt wäre, geht der Blick von Kolbinger gerade nach vorn. Mund abputzen und weiter zu den nächsten Zielen. Dass diese herausfordernd sind, ist sich der Unternehmer völlig bewusst. Die Ära Hach ist beendet, unterschiedliche Auffassungen, was beim Smartbroker 2.0. die nächsten Prioritäten sind, sollen den Ausschlag für die Trennung gegeben haben. Nun setzt der neue CEO, der er nach eigenen Angaben bis mindestens 2025 bleiben will, auf interne Kommunikation sowie passende externe Partner, um den Launch des „Online Brokers der nächsten Generation“ inklusive einer enorm wichtigen Smartphone-App gewährleisten zu können.

Für den alten und neuen Vorstandsvorsitzenden der Smartbroker Holding AG, André Kolbinger, besteht kein Zweifel, dass der Smartbroker 2.0. inklusive mobiler App gelauncht wird. Quelle: Smartbroker Holding AG

Technik und Lizenz im Vordergrund

Mehrfach kommunizierte die Gruppe, dass es sich bei dem Großprojekt „nur“ um nennenswerte Verschiebungen handle. Das Projekt sei keinesfalls gescheitert, sondern „lediglich“ auf der Zeitschiene nach hinten verschoben worden. Technisch seien bereits mehrere Einzelkomponenten fertig programmiert, das Zusammenführen zu einer Einheit wurde in der Vergangenheit jedoch in seiner Komplexität unterschätzt. Nach Aufarbeitung der vergangenen Wochen ist sich das Management jedoch „sehr sicher“, bis Mitte 2023 eine neuartige eigene Trading-Plattform für private Anleger und Sparer inklusive Smartphone-App zu liefern.

Neben den technischen Herausforderungen ist die Erweiterung der KWG-Lizenz von Wertpapierhandelsbank auf Wertpapierinstitut von eminenter Bedeutung, um eine eigene Plattform betreiben zu können. Der Antrag ging der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen BaFin bereits seit etwas mehr als einem Jahr zu. Laut Kolbinger habe der plötzliche Austausch des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Hach keinen Einfluss auf den erweiterten Lizenzantrag.

CEO André Kolbinger

„Dass das Produkt kommt, daran gibt es keinen Zweifel. Wir werden es sowohl technisch als auch finanziell umsetzen können.“

Im Gegenteil, um den Vorgang weiter zu einem positiven Ende zu führen, wurde mit dem bisherigen Raisin Bank-Vorstand Uwe Lüders das Management-Team der Smartbroker AG weiter verstärkt. Lüders wird in seiner neuen Rolle als Chief Risk Officer und Chief Financial Officer insbesondere die Bereiche Risikocontrolling, Finanzen, Legal, Compliance und Geldwäscheprävention betreuen. Allein diese Personalie und die Installierung eines Vollblut-Bankers dürfte den BaFin-Entscheid eher positiv beschleunigen.

Zu Korrektur der Prognosen veranlasst

Die Verlegung des „go live“ von Ende des aktuellen Jahres auf Mitte 2023 bringt unweigerlich eine Verschiebung des Umsatzes als auch des Kundenwachstums mit sich. Die Kundenakquise wurde in Folge auf ein Minimum heruntergefahren und die Prognosen neu sortiert. Das Unternehmen erwartet nunmehr für das Gesamtjahr einen Umsatz auf Gruppenebene zwischen 54 Mio. und 57 Mio. EUR. Bisher gingen die Hauptstädter von einer Erlösspanne zwischen 62 Mio. und 67 Mio. EUR aus. Das konsolidierte operative EBITDA bleibt unverändert zwischen 10 Mio. und 12 Mio. EUR, dies jedoch nur, da die geplanten Kosten für die Neukundengewinnung des Smartbrokers von vorher 6 Mio. EUR auf nunmehr 4 Mio. EUR reduziert wurden. Das operative EBITDA vor Kundengewinnungskosten solle sich in einer Spanne zwischen 14 Mio. EUR und 16 Mio. EUR bewegen.

Smartbroker im Markt etabliert

Im Zuge der für die Gruppe negativen Ereignisse der vergangenen Wochen fiel die Aktie der Smartbroker Holding AG um mehr als 50% auf rund 8 EUR, der Börsenwert schmolz auf knapp 130 Mio. EUR. Damit bewegt sich der Kurs nahe am Niveau 2019, als der Smartbroker lediglich als Idee in den Köpfen der Gründer herumschwirrte. Ob dieses Niveau den Boden der Abwärtsspirale bereits bildet, ist schwer vorherzusagen. Tatsache ist jedoch, dass sich der Smartbroker mit mehr als 200.000 Kunden zu einem der erfolgreichsten Online Broker im deutschsprachigen Raum entwickelt hat. Mit einem betreuten Kundenvermögen von über 9 Mrd. EUR ist man zudem der mit Abstand größte Neobroker bei dieser Kennzahl. Zudem liefern die Berliner das einzige Produkt im Markt, das die Preise eines Neobrokers mit der Palette eines klassischen Full-Service-Brokers verbindet.

Erhebliche Add-ons bei eigener Plattform

Voraussetzung, dass der Smartbroker als Neobroker wahrgenommen wird, ist freilich der Launch einer mobilen App. Zudem würde der Start von „Smartbroker 2.0” und der Aufbau einer eigenen Brokerage-Infrastruktur ein deutliches Zusatzgeschäft mit sich bringen. Das Überwinden der technischen Hürden und eine positive Absegnung der BaFin vorausgesetzt, würde der Smartbroker nicht mehr nur als Depot-Vermittler fungieren, sondern wäre zukünftig ein eigener Broker und müsste keinen Anteil mehr an eine Partnerbank abgeben. Zudem sollen durch den geplanten Launch der Smartphone-App, einer eigenen Desktop-Lösung und der Etablierung des Handels mit Kryptowährungen neue
Zielgruppen angesprochen werden.

8 EUR

„Wenn Sie mich fragen würden, ob ich den jetzigen Kurssturz für übertrieben halte, würde ich das mit ja beantworten.“ (Kolbinger)

Durch den Wegfall der Einschränkungen beim Marketing wäre außerdem die Möglichkeit gegeben, gezielt Social-Media-Werbung einzubinden, was die durchschnittlichen Kosten für die Neukundengewinnung deutlich absenken würde. Weiterhin würde der eigene Broker steigende Margen je Trade generieren und könnte von der Zinsmarge profitieren. Das langfristige Ziel des Managements ist zudem die weitere Verzahnung und der Direkthandel aus den Community-Portalen sowie eine Frontend-Usability, die der Konkurrenz deutlich überlegen sein sollte.

Smartbroker Holding AG
Die Vision des Managements ist es, mit dem Smartbroker das beste Produkt mit den günstigsten Preisen zu entwickeln.

Finanziell gut ausgestattet

Mögliche weitere Kapitalerhöhungen schloss der neue CEO anlässlich der kürzlich stattgefundenen virtuellen Hauptversammlung aus. Zum einen erwirtschaftete das hochprofitable Portalgeschäft allein im vergangenen Jahr einen stabilen positiven Cash Flow in Höhe von 17 Mio. EUR. Dieser Überschuss wird direkt in den Aufbau der IT, Setup-Kosten, den Personalaufbau sowie späteres Kundenwachstum des Smartbrokers investiert. Zudem wurde erst Mitte Juli eine Kapitalerhöhung über 10 Mio. EUR erfolgreich abgeschlossen. Der Preis damals: 17,30 EUR! Bemerkenswert dabei war die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Aktien durch Aufsichtsrat und Vorstand gezeichnet wurden. Allein Großaktionär Kolbinger stockte seinen Bestand um mehr als 4,4 Mio. EUR auf.

Zwischenfazit

Die in den letzten Wochen eingetreten Ereignisse mit dem plötzlichen Abgang des Vorstandsvorsitzenden Matthias Hach, der Verschiebung von App und Plattform sowie einer Gewinnwarnung für die Jahre 2022 und 2023 sind aus Unternehmenssicht als katastrophal einzustufen. Positiv ist jedoch zum einen, dass Großaktionär und Firmengründer Kolbinger das Ruder für die nächsten Jahre in die Hand nimmt und bereits in kürzester Zeit alle Fakten knallhart auf den Tisch legte. Die Folge war natürlich ein Abverkauf der Smartbroker Holding-Aktie um mehr als 50% auf ein neues Zwischentief bei 8 EUR. Ob dies eine langfristig einmalige Einstiegschance bedeutet, wird sich daran messen, ob das Management die neue Planung, den Launch der eigenen Smartbroker 2.0.-Plattform inklusiver mobiler App bis Mitte 2023, einhalten kann.

Kolbinger konnte in seiner Historie bereits zweimal zeigen, wozu er unternehmerisch im Stande ist. Zum einen gründete er 1998 quasi in einer „One man-Show“ die wallstreet:online AG, führte diese zum mit Abstand größten verlagsunabhängigen Finanzportalbetreiber im deutschsprachigen Raum und verkaufte sie später erfolgreich an Springer. Drei Jahre nach der Übernahme durch Springer - die Umsätze fielen in den Keller - kaufte Kolbinger die kriselnde Plattform zurück, führte diese erneut in die Erfolgsspur und etablierte den Smartbroker zu einem der größten Online-Broker Deutschlands. Sollte die nun kommunizierte Planung eingehalten werden, dürften die aktuellen Notierungen als langfristig einmalige Kaufgelegenheit zu sehen sein. Und wie heißt es in einem bekannten Sprichwort: „Aller guten Dinge sind drei!“.


Interessenskonflikt

Gemäß §85 WpHG weisen wir darauf hin, dass die Apaton Finance GmbH sowie Partner, Autoren oder Mitarbeiter der Apaton Finance GmbH (nachfolgend „Relevante Personen“) ggf. künftig Aktien oder andere Finanzinstrumente der genannten Unternehmen halten oder auf steigende oder fallende Kurse setzen werden und somit ggf. künftig ein Interessenskonflikt entstehen kann. Die Relevanten Personen behalten sich dabei vor, jederzeit Aktien oder andere Finanzinstrumente des Unternehmens kaufen oder verkaufen zu können (nachfolgend jeweils als „Transaktion“ bezeichnet). Transaktionen können dabei unter Umständen den jeweiligen Kurs der Aktien oder der sonstigen Finanzinstrumente des Unternehmens beeinflussen.

Die Apaton Finance GmbH ist daneben im Rahmen der Erstellung und Veröffentlichung der Berichterstattung in entgeltlichen Auftragsbeziehungen tätig.

Es besteht aus diesem Grund ein konkreter Interessenkonflikt.

Die vorstehenden Hinweise zu vorliegenden Interessenkonflikten gelten für alle Arten und Formen der Veröffentlichung, die die Apaton Finance GmbH für Veröffentlichungen zu Unternehmen nutzt.

Risikohinweis

Die Apaton Finance GmbH bietet Redakteuren, Agenturen und Unternehmen die Möglichkeit, Kommentare, Interviews, Zusammenfassungen, Nachrichten u. ä. auf researchanalyst.com zu veröffentlichen. Diese Inhalte dienen ausschließlich der Information der Leser und stellen keine Handlungsaufforderung oder Empfehlungen dar, weder explizit noch implizit sind sie als Zusicherung etwaiger Kursentwicklungen zu verstehen. Die Inhalte ersetzen keine individuelle fachkundige Anlageberatung und stellen weder ein Verkaufsangebot für die behandelte(n) Aktie(n) oder sonstigen Finanzinstrumente noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von solchen dar.

Bei den Inhalten handelt es sich ausdrücklich nicht um eine Finanzanalyse, sondern um journalistische oder werbliche Texte. Leser oder Nutzer, die aufgrund der hier angebotenen Informationen Anlageentscheidungen treffen bzw. Transaktionen durchführen, handeln vollständig auf eigene Gefahr. Es kommt keine vertragliche Beziehung zwischen der der Apaton Finance GmbH und ihren Lesern oder den Nutzern ihrer Angebote zustande, da unsere Informationen sich nur auf das Unternehmen beziehen, nicht aber auf die Anlageentscheidung des Lesers oder Nutzers.

Der Erwerb von Finanzinstrumenten birgt hohe Risiken, die bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können. Die von der Apaton Finance GmbH und ihre Autoren veröffentlichten Informationen beruhen auf sorgfältiger Recherche, dennoch wird keinerlei Haftung für Vermögensschäden oder eine inhaltliche Garantie für Aktualität, Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der hier angebotenen Inhalte übernommen. Bitte beachten Sie auch unsere Nutzungsbedingungen.